Sonntag, 21. Juli 2013

Wie das endlose Warten zur Qual wurde

Da stand ich nun. Ein Jahr vor meinem Abflug. Erst dachte ich: "Das ist ja super! Dann habe ich eine tolle lange Wartezeit, in der ich nochmal alles genießen kann!" Falsch gedacht! Denn die folgenden Monate zogen sich echt hin! Ich erhielt teilweise mehrere Monate nichts von meiner Organisation, weil ich eine der ersten war, die die Zusage erhalten hatten. Den Winter hatte ich noch vor mir. Fast jeder wusste schon Bescheid, dass ich gehen würde, aber ich konnte immer mit den folgenden Worten beruhigen: Ach, es sind ja noch mehrere Monate! Wir sehen uns ja noch!
Abends konnte ich kaum noch im Internet nach Uruguay googlen, denn die meisten Einträge hatte ich schon längst gelesen. Und wenn ich es dann doch tat, konnte ich vor Aufregung nicht einschlafen. Zu groß die Neugier und die Ungewissheit.
Durch die Facebook- Seite von YFU erfuhr ich von einem Mädchen, das ebenfalls nach Uruguay flog. Wir schrieben ziemlich viel und konnten uns so ziemlich praktisch austauschen.
Die Wochen vergingen endlos langsam und es verging kein Tag, an den ich nicht an Südamerika dachte. Mit dem Thema fing ich an meinen Freunden auf die Nerven zu gehen (Von daher: Tut mir Leid, dass ich euch in den letzten Monaten so auf die Palme getrieben habe! :) ), aber ich wusste auch nicht mehr, wem ich das alles erzählen sollte.
Noch dazu nahmen wir in Englisch das Thema Auslandsjahr durch und ich war bei jeder Stunde so ungeduldig. Das Mädchen (Kristina), mit dem ich regelmäßig schrieb, erhielt die Einladung zu einer einwöchigen Tagung und ich schaute von da an wie verrückt jeden Tag in den Briefkasten, doch ich erhielt sie einfach nicht! Es war schon April und ich hatte an einem Tag tatsächlich ganze drei Male in den Briefkasten geguckt! Eine Woche verging, und dann: Endlich! Auch ich wurde vom 12.05.13- 18.05.13 nach Lauenburg eingeladen! Von da an fieberte ich der Tagung entgegen. Ich wusste zwar erst nicht so genau, was man dort eigentlich die ganze Zeit machen sollte, aber trotzdem hatte ich ein gutes Gefühl. Da lernte ich auch noch ein anderes Mädchen via Facebook kennen: Britta. Sie fuhr mit mir zusammen zur Vorbereitungstagung (VBT).
"Aaaaach, alles ganz easy", versuchte ich mich zu beruhigen, als ich morgens aufwachte. Man, ich hätte echt nicht damit gerechnet, dass ich so aufgeregt war! Im Nachhinein weiß ich auch gar nicht warum, aber irgendwie habe ich mir einfach viel zu viele Gedanken dazu gemacht!
Die VBT war aufjeden Fall richtig gut. Ich kann einfach nicht so gut erzählen, was wir dort gemacht haben, denn man muss das Feeling von Verständnis und Zusammenhalt einfach selbst erlebt haben!
Nach der VBT erhielten die ersten ihre Gastfamilien und ich schaute immer wieder in den Briefkasten. Jeden Morgen, jeden Mittag, wenn ich aus der Schule kam, jeden Abend, wenn ich zu Bett ging. Aber es lag nichts darin, was mich wirklich zur Weißglut brachte!
An einem Freitagmorgen, als ich noch halb schlafend auf dem Sofa saß, weil Freunde bei mir geschlafen hatten, kam meine Schwester zur Tür herein. Mit einem Brief in der Hand. Von YFU.
Meine Hände zitterten, als ich ihn öffnete und mein Herz machte einen Satz nach vorn, als ich die zwei Worte: "Deine Gastfamilie" las.
Das war echt ein super tolles Gefühl! Ich komme nach Dolores, Soriano. Ich werde euch unten noch ein paar Fotos zeigen. Die Stadt hat 20.000 Einwohner ( was für Uruguay echt viel ist!) und liegt an einem Arm des Flusses Rio de La Plata.
Zu meiner Gastfamilie werde ich allerdings noch einmal einen Extra- Post machen!
Außerdem wurde ich noch zu einem Pressetermin eingeladen, da ich in der Zeitung erscheinen sollte. Eine Redakteurin hörte sich meine Geschichte an und zwei Tage später erschien auch schon der (große) Artikel in der Zeitung. Ich verlinke euch hier einmal die Internetadresse, damit ihr euch den Artikel durchlesen könnt (http://www.weltweiser.de/presseauslandsaufenthalte.htm)!
Von da an hatte ich unzählige Kontakte geschlossen. Ich besuchte Britta in Hannover, Britta besuchte mich hier, Kristina kam für ein Wochenende hierher, ich fuhr ins Sommerlager nach Schwerte mit anderen Austauschschülern, besichtigte nochmal die JuBi- Messe und so weiter. Meine Mutter meinte, ich wäre schon halb weg. Vielleicht bin ich das auch schon, aber wie soll man das nur vergessen?
Im Moment bin ich einfach nur richtig froh, dass ich bald losfahre.
Leider ist seit meinem letzten Post kein Tag vergangen, weil ich euch meine Geschichte ein bisschen erläutern wollte, deshalb: noch 25 Tage bis zum Flug!







Dolores liegt ganz im Westen

Dolores


Wie der Wunsch entstand: Länderwahl, Finanzierung und weiteres

"WAS?! Was willst du denn da?" Das war echt keine seltene Frage in den letzten Wochen und Monaten. Aber was soll ich darauf antworten? Ich grüble jedesmal aufs Neue los, was ich sagen soll. Bauchgefühl! Wie soll man seinen sehnlichsten Wunsch in Worte fassen? So genau weiß ich ehrlich gesagt auch nicht, was ich dort machen will. Einfach das, was ich hier auch tue. Zur Schule gehen, in einer Familie leben, faulenzen, essen, eben das, was ich den ganzen Tag hier in Deutschland mache.
Die Reaktionen waren ziemlich geteilt. Manche waren von Anfang an total begeistert und haben sich riesig für mich gefreut. Andere waren geschockt und durchlöcherten mich mit Fragen und Vorwürfen.
Nochmal andere googelten zuerst einmal das Land Uruguay, denn allzu bekannt ist dies ja nicht. Aus der Fußball- WM werden es vielleicht einige kennen. Aber: Wo liegt Uruguay? Welche Sprache sprechen sie dort? Oder: Warum gehst du ausgerechnet nach Uruguay?
Ich beantworte nun einfach mal die oben genannten Fragen. Uruguay liegt nicht in Afrika (liebe Tante) und ist auch nicht mit dem Land Uganda zu vergleichen. Uruguay grenzt südlich an die Grenze Brasiliens und an die östliche Grenze Argentiniens. Ich stelle unten lieber noch einmal einen kleinen Überblick rein, damit ihr euch das genau vorstellen könnt.
Uruguayisch sprechen sie dort auch nicht. Spanisch ist die Landessprache von Uruguay. Ich lerne Spanisch seit 2 Semestern in der Volkshochschule und beherrsche ungefähr die Grundlagen. Keine Ahnung, ob ich dort überhaupt etwas verstehen werde. Als ich letztens in einem spanischen Restaurant war, war ich echt stolz auf mich, dass ich fast alles verstanden hatte. Man kann sich ja auch noch mithilfe von Zeichensprache und Spanischfetzen verständigen.
Warum ich nach Uruguay gehe... Eine so simple Frage, aber für mich irgendwie schwer in Worte zu fassen.
Zuerst hatte ich den Wunsch, wie so viele andere Jugendliche auch, ein Jahr in den USA zu verbringen. Mit diesem Wunsch fuhren meine Schwester, meine Mutter und ich zur Jugend- und Bildungsmesse nach Münster, um uns mal schlau zu machen. Dort wurde mein Wunsch gefestigt und ich kam mit Unmengen von Broschüren, Taschen, Bleistiften und Schlüsselanhängern nach Hause. Von da an stand mein Wunsch fest: Ich will ins Ausland! Auf der Messe wurde ich noch auf andere Länder aufmerksam. Ich wollte mir ein Land aussuchen, bei dem ich mich sicher fühle und mit dem ich mich voll identifizieren kann. Europa? Wenn schon weg, dann auch richtig weit entfernt. Sonst habe ich immer das Gefühl, dass ich schnell nach Hause fahren kann. Asien? Hat mich einfach überhaupt nicht interessiert und gereizt. Nordamerika? Zu langweilig! Afrika? Vieeeeeeeel zu gefährlich (laut meiner Mutter). Südamerika? Ja, warum nicht? Ich wusste bis dahin echt nicht viel über diesen Kontinent. Höchstens, dass die schönen Frauen dort richtig gut tanzen können, dass der Karneval echt groß gefeiert wird und dass die Menschen dort sehr lebensfroh sein sollen. Klingt doch eigentlich ansprechend, oder? Wochen des Internetsurfens und Erkundigen folgten. "Südamerika!" Je mehr ich davon las, desto besser gefiel es mir. Mir wurde klar, mit dieser Kultur und diesen Menschen wollte ich mich auseinandersetzen! Ich sprach sehr viel mit ehemaligen Austauschschülern auf den verschiedensten Messen, die mir viel zu den einzelnen Ländern erzählen konnten. Und so kam es, dass ich bei meiner Bewerbung als Erstwunsch Uruguay ankreuzte. Bei Chile, Costa Rica, Argentinien, Brasilien setzte ich ebenfalls ein kleines Kreuzchen.
Uruguay war deshalb so weit vorne, weil es eines der sichersten Länder war und einfach total "gechillt" sein sollte. Die Leute sollen dort besonders locker sein und wer kennt schon das Land Uruguay genau?
Ich konnte es kaum glauben, als mir mein Vater den Satz vorlas: Liebe Annika, wir freuen uns sehr, Dir mitteilen zu können, dass wir Dir für das Programm Uruguay einen Platz reservieren können.
Ein paar Freudenschreie, Heulattacken und wieder Freudenschreie rief ich erstmal meine Mutter, meine Schwester und alle meine Freunde, die ich in meinem Handy abgespeichert hatte, an. Im Nachhinein keine gute Idee, denn wenn man bedenkt, dass ich mich zu der Zeit in Spanien befand, kann man sich die (hohen) Telefonkosten schon vorstellen..
Apropos Geld: Die Frage der Finanzierung des Austauschjahres schwebte und nervte mich immer wieder im Hinterkopf. Denn 7.300 Euro zahlt man nicht einfach so einmal aus der Tasche. Mir war von Vornerein klar, dass ich mich um Stipendien kümmern musste. Sätze wie: "Mama, ich gebe meine ganzen Ersparnisse dazu und wünsche mir zu Konfirmation, zum Geburtstag und zu Weihnachten nur Geld!" konnte man in unserem Haus zu dieser Zeit echt häufig hören. Ich bewarb mich bei allen möglichen Stipendien, bei denen ich Chancen hatte. Das war der Nachteil an Südamerika, ich konnte mich nur für eine handvoll Stipendien bewerben. Für die USA, für (Süd-)Osteuropa und für zahlreiche andere Länder häuften sich nur so die Stipendienangebote, aber für Südamerika wurde echt wenig angeboten. Aber ich machte das Beste daraus. Stipendienfinder im Internet halfen mir bei meiner Suche. Natürlich erledigte ich das alles auf den letzten Drücker, denn die über 8 Monate zuvor konnte ich meinen inneren Schweinehund einfach nicht überwinden. Einen ansprechenden Bericht über mich selbst, bei denen ich ganze 9 computergetippte Seiten schrieb, musste auch noch her. Einen Tag vor der Abmeldefrist des Stipendiums von Weltweiser schmiss ich noch die Post höchstpersönlich ein und hoffte auf eine Zusage. Nach einem Auswahlgespräch erhielt ich dann die Nachricht, dass ich doch tatsächlich ein Taschengeldstipendium im Wert von 1.650 Euro erhalten hatte! Noch dazu kam ein weiteres Stipendium von 600 Euro! Mir fiel echt ein Stein vom Herzen und jetzt konnte mir nichts mehr im Weg stehen!
Uruguay sollte es also sein. Kaum zu glauben, dass dies schon über ein Jahr her ist. Am 30.Juni 2012 hatte ich mein Auswahlgespräch in Düsseldorf, heute ist der 21.07.2013: Noch 25 Tage bis zum Flug!


Die geographische Lage Uruguays